Veränderungen im Rudel
Louni gibt das Zepter ab
Wenn sich die Stellungen im Hunderudel verändern
Sechs Jahre lang war Louni die
unangefochtene Chefin des Rudels. Nach mir, ist ja klar... oder? Wie
auch immer. Jedenfalls waren sich Klimt und Louni einig, wer den Ton
angibt.
Wenn fremde Hund kamen, hat Louni das
Rudel geschützt, zumindest, wenn ich gepennt hatte. Klimt wurde
gemaßregelt, wenn er versuchte einen fremden Hund zuerst zu
beschnuppern. Auch Prügeleien mit bekannten Hunden waren bei ihr
nicht erlaubt. Ich kann mich erinnern, dass Klimt sich kurz mal mit
dem Border Collie meiner früheren Mitbewohnerin in der Wolle hatte.
Ich war zu weit weg, um spontan einzugreifen. Louni nicht. Wie eine
Furie schoss sie dazwischen, rupfte beide und schon war Ruhe im
Karton. Bedeppert trotteten die Rüden zu mir zurück.
Machte Klimt läufigen Hündinnen
Avancen, stellte sie sich demonstrativ dazwischen und zeigt Klimt die
Zähne. Auch sein Spiel mit anderen Hunden ertrug sie nur schwer. Sie
selbst spielte gern mit ihm. Aber nach ihren Regeln. Das heißte,
wenn er zu wild wurde, hat Louni gemeckert. Er hingegen musste ihre
spielerischen Attacken ertragen.
Wenn Klimt zu aufgeregt war, weil zum
Beispiel Besuch kam, gab es ebenfalls einen unblutigen Anschiss von
ihr. Gewehrt hat er sich nie wirklich. Stoisch hat er ihr
Abschnappen ertragen.
Sobald Klimt irgendeinen Blödsinn, wie
Mülleimer Ausräumen oder Stöbern im Unterholz im Sinn hatte, kam
sie zu mir, um zu petzen. Mit aufgeregtem Blick und eingeklemmten
Schwanz drückte sie sich ran und ich wusste, dass Klimt jetzt wohl
wieder etwas angestellt hatte.
Zerrspiele mit Klimt waren immer
schwierig. Denn entweder grätschte Louni dazwischen – das gab dann
Ärger mit mir – oder sie schnappte sich das andere Ende des Taus,
sobald ich losließ. Ruhig und bestimmt ohne fahrig zu sein, so als
sei es selbstverständlich. Klimt, genauso ruhig, wand den Kopf ab
und ließ ihr das Objekt der Begierde.
Das klingt jetzt alles eigentlich
ziemlich fies dem armen Klimt gegenüber. Aber man muss auch sehen,
dass er sich keine wirklichen Sorgen zu machen brauchte. Wenn es Beef
mit anderen Hunden gab, boxte Louni ihn da raus. Wenn Klimt seine
Aufgeregtheit nicht mehr unter Kontrolle hatte, sorgte sie kurz und
eindrucksvoll dafür, dass er zur Ruhe findet. Wenn er nach dem Baden
noch nass war, versuchte sie ihn trocken zu lecken. Ok, das Petzen
ist wohl wirklich fies. Aber für mich ist es praktisch. Ja, und auch
das Weggnehmen des Spielzeugs findet Klimt wohl eigentlich nicht so
toll. Aber zumindest hat er so das Teilen gelernt.
Ressourcenverteidigung war nie ein Thema. Alles in allem aber hat
Louni das geschafft, woran ich noch heute oft scheitere: Sie hat
Klimt Grenzen gesetzt und ihm Struktur gegeben. Für einen so
hibbeligen, triebigen Hund, wie er es ist, war das so ziemlich das
Beste, was ihm passieren konnte.
Ihr merkt schon: Ich schreibe in der
Vergangenheit. Denn im letzten Jahr hat sich so einiges geändert. Es
sind Kleinigkeiten. Doch ich habe den Eindruck, dass die
unangefochtene Chefin Stück für Stück ihr Zepter aus der Pfote
gibt.
Aufgefallen ist mir das zuerst durch
ein positives Beispiel. Während Louni vor allem in der Welpen- und
Junghundzeit von Klimt seine Nähe nur schwer ertragen hat und ihn
sogar weggeknurrt hat, wenn er sich an sie schmiegen wollte, erträgt
sie das Kontaktliegen heute nicht nur, sondern legt sich von sich aus
ohne Zögern neben ihn... manchmal auf ihn.
Auch sonst weist sie ihn viel weniger
zurecht. Wenn er aufgeregt ist, erträgt sie das mittlerweile einfach
ohne auszurasten. Sogar wenn er sie freudig begrüßt und über das
Gesicht leckt, hält sie still und wartet einfach bis er ruhiger wird
– vor einigen Jahren undenkbar.
Jetzt könnte man meinen, Louni hat
sich einfach mit Klimts überdrehter Art abgefunden, aber so einfach
ist das nicht. Denn es gibt weitere Veränderungen. So richtig
bemerkt habe ich den Rollentausch, als beide einen Kauknochen hatten
und in Streit gerieten. Für mich kam das aus heiterem Himmel. Ich
kann die genaue Situation auch gar nicht erzählen, weil ich den
Hunden in dem Moment keine Beachtung geschenkt hatte. Beide Knochen
waren schon gefressen und offenbar suchten Klimt und Louni nach den
letzten Krümeln. Dabei hat es dann plötzlich geknallt. Keine Ahnung
wer angefangen hat. Klimt hat sich gewehrt – zum ersten Mal. Ich
habe mich wegen des Knurrens und Zähnefletschens zu Tode erschreckt
und einen Schrei losgelassen. Dann war auch Ruhe. Aber Klimts Blick
war anders... fixierend, herausfordernd... wenn ich das mit
menschlichen Gefühlen besetzen würde: irgendwie wütend... und
erwachsen. Für ihn war das Thema nicht durch. Mir hat das gar nicht
gefallen und ich hätte mich dafür ohrfeigen können, im Affekt
eingeschritten zu sein. Ich hätte es laufen lassen müssen.
Zunächst habe ich befürchtet, dass
jetzt immer wieder solche Situationen passieren und es zu Kämpfen
kommt. Das war bis jetzt aber nicht so. Stattdessen sind mir
Situationen aufgefallen, in denen Klimt sich plötzlich um Louni
kümmerte – so zumindest meine vermenschlichende Auffassung.
Vermutlich interpretiere ich viel zu viel hinein, aber ich habe den
Eindruck, dass er begriffen hat, wie verletzlich und alt sie
mittlerweile geworden ist. Neulich beim Spaziergang haben wir eine
Pause eingelegt. Ich habe mich auf eine Bank gesetzt, hinter mir
Dickicht und vor mir eine Wiese, auf der die Hunde Blödsinn machen
durften. Klimt vertieft in sein Buddeln nach Mäusen hat nicht
gesehen, dass Louni im Gebüsch verschwunden ist. Als er kurz
innehielt und sie nicht mehr entdecken konnte, blickte er mich völlig
alarmiert an. Ich habe nicht reagiert. Also begann er hektisch nach
ihr zu suchen. Als er sie gefunden hatte, schüttelte er sich erstmal
den Stress weg. Kontrolliert Klimt jetzt Louni? Passt er auf sie auf?
Keine Ahnung.
Und dann kam der Igel abends beim
Spaziergang. Klimt hat ihn angeschnuppert. Alles ok. Louni wollte
auch wissen, was das ist und in dem Moment bewegt sich das Tier.
Louni, zu Tode erschrocken, zuckt zurück, taumelt und landet auf dem
Hintern. Klimt sieht ihr Entsetzen, spurtet zurück und stellt sich
komplett angespannt, die Rute hoch erhoben, zwischen Louni und den
Igel des Grauens. Ein zweites Mal checkt er den Igel. Alles ok. Dann
checkt er Louni, schnuppert ihr ins immernoch irritierte Gesicht.
Alles ok. Und in diesem Moment war mir klar: Hier verändert sich
etwas in der Beziehung zwischen meinen beiden Hunden.
Die Rollen vertauschen sich und ich
frage mich, ob das gut ist, ob Klimt damit klar kommt in seiner
überdrehten und gleichzeitig oft unsicheren Art, ob Louni damit klar
kommt, ob sie womöglich noch kontrollieren will, aber körperlich
einfach nicht mehr kann? Außerdem tut es mir natürlich in der Seele
weh zu sehen, dass Louni abbaut. Aber womöglich ist es einfach der
Lauf der Dinge und ich sollte mich nicht einmischen.
Erst wollte ich schreiben: "sollte mir
keine Sorgen machen." Aber das wird nicht funktionieren.
Ich muss gestehen, solche Rollenwechsel habe ich auch schon erlebt - und ich habe mir als Mensch viel schwerer damit getan als meine Hunde. Schon bei Lady und Dingo fing es an und bei jedem unserer bisherigen Paare konnte ich es beobachten ... immer, wenn ich auch das Älterwerden erkannte. Auch jetzt ist Cara dabei in eine neue Rolle zu wachsen - aber für sie ist das so einfach nicht machbar. Ich bin daher froh, dass Damon für seine fast 12 Jahre noch recht fit ist und sein Zepter nur in winzigen Teilen abgibt.
AntwortenLöschenOhne Sorge geht das auch bei mir nicht ... aber ich versuche es immer wieder.
Liebe Grüße,
Isabella mit Damon und Cara
Wie lief das bei euch ab? Gab es körperliche Reibereien oder war das ein stilles Einverständnis, dass der eine die Aufgaben/Angewohnheiten des anderen übernimmt?
LöschenKörperliche Reibereien gab es nur im Kleinen. Denn manch Junger dachte sich, er könnte schneller mehr Rechte übernehmen ... Aber unsere alten Hunde haben erst ihre Pflichten abgegeben. Da kam es beim Knabbern oder bei der Platzvergabe mal zu einem heftigen Grummler und Schnapper. Aber es ist nie wirklich etwas passiert - mal ein Rempler aber nie ein Biss. Ich hoffe, diesmal wird es auch so.
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