Urlaub mit Hund in Italien, Lignano
Der alte Hund und das Meer
Familienurlaub in Italien wird zur emotionalen Gratwanderung
„Willst du denn nicht, dass der alte Hund noch einmal das Meer sieht?! Vielleicht ist es unser letzter gemeinsamer Urlaub zu viert?“ Mit dieser Argumentation hatte mich mein Mann. Ach, scheiße, ja, ich wollte, dass er noch einmal das Meer sieht. Dieser entscheidungsträchtigen Minute gingen endlose Diskussionen voraus, wo ich klar machte, wie bescheuert ich es fände, mit einem alten, gebrechlichen Hund und einem Kleinkind an Pfingsten, wenn die Staudichte schier grenzenlos und die Temperaturen bereits erbarmungslos sind, nach Italien zu fahren. Vor Ort befürchtete ich nur: Stress und Management. Wie immer malte ich mir die schlimmsten Szenarien aus: Wilde Straßenhunde, die meinen wehrlosen Klimt attackieren. Kein Tierarzt weit und breit. Währenddessen ertrinkt das Kind in den Fluten, weil ich die Hunde abwehre.
Erste Herausforderung: Der Stau aus der Hölle
Nun vorab: So sollte es nicht kommen. Ich tat einiges im Vorfeld, um das Stresslevel niedrig zu halten. So suchte ich eine Ferienwohnung, die komplett eingezäunt ist, wo es keinen Pool und keine Treppen gab, wo Grünanlagen und Spielplätze in der Nähe waren, wo ein Kinderbett vorhanden war. Ich achtete darauf, dass es sehr seicht ins Meer geht und Ärzte sowie Supermärkte in der Nähe sind. Zu weit südlich sollte es nicht sein, um die Fahrzeit zu reduzieren. Also entschied ich mich für Lignano Sabbiadoro.
Die Hinfahrt war die Hölle. Irgendein Brain in Österreich kam auf die Idee, zu Pfingsten – DER Hauptreisezeit – eine Tunnelbaustelle auf der Tauernautobahn zu terminieren. Wir brauchten für 50 Kilometer sechs Stunden. Reisezeit insgesamt: 18 Stunden! Abfahrt: 3 Uhr nachts. Ankunft: 21 Uhr abends. Die Scheidung rückte in greifbare Nähe. Aber am Ende waren meine Jungs sehr tapfer.
Die Unterkunft war nicht besonders nobel oder riesig, aber für unsere Bedürfnisse perfekt: Das Grundstück sicher eingezäunt. Dusche, Toilette, Klimaanlage, Herd funktionierten. Sauber war es auch. 15 Minuten zum Meer. Zwei Liegestühle inklusive. Die Nachbarinnen waren total goldig; fanden Hund und Kind klasse. Super Sache! Klimt markierte die Pinie im Garten. Ich schenkte mir ein Glas Wein ein und atmete durch.
Die Rahmenbedingungen schienen also zu passen. Dennoch war die Woche für mich alles andere als erholsam. Die Temperaturen waren tagsüber so hoch, dass ich den wackligen 14-jährigen Klimt mit seiner Arthrose nicht draußen herumzerren konnte. Mit Kleinkind in der Ferienwohnung bleiben ist natürlich keine Alternative, sondern der blanke Horror und auch nicht Sinn eines Urlaubs. Also sahen unsere Tage so aus, dass wir früh einen Familienspaziergang meist zum nahegelegenen Supermarkt machten, frühstückten und dann blieb Klimt alleine zurück. Zum Mittagsschlaf waren wir wieder vereint. Den Nachmittag verbrachte er wieder alleine. Abends zogen wir alle gemeinsam los, um uns ein nettes, hunde- und kinderfreundliches Restaurant zu suchen. Fanden wir auch immer. Dennoch plagte mich permanent mein schlechtes Gewissen, weil Klimt nicht so teilhaben konnte, wie ich es ihm wünschte. Wieder war da die Zerrissenheit und Verzweiflung. Es sollte doch allen gut gehen.Panikattacke am Hundestrand
Während wir also am Meer waren, badeten, Muscheln suchten, Eis aßen, Quatsch machten und Spaß hatten, blieb er allein zurück. Er sollte doch das Meer sehen, seine Pfötchen kühlen, nach der Gischt haschen. Mir ging es schlecht damit. Also beschloss ich am vierten Tag, dass wir zum Hundestrand fahren. Klimt, ich und andere Hunde ist ja so ein Thema für sich. Er ist ein leidenschaftlicher Pöbler und versteht sich mit Rüden nicht. Meine Panik beim Anblick von freilaufenden Hunden hilft dabei natürlich auch nicht. Ich hatte die Hoffnung, dass dort alle Hunde an der Leine sind und wir eine umzäunte Parzelle für uns anmieten können. Tja, nein. Weder noch. Einige Hunde liefen trotz Verbot frei und alle Parzellen waren die ganzen nächsten Tage ausgebucht. Wir hätten uns in die Pralle Sonne inmitten von anderen Hunden setzen können. Das war keine Option. Wir überlegten kurz vor ans Meer zu gehen. Doch ich habe es einfach nicht geschafft. Klimt, mein Sohn und mein Mann waren nicht das Problem. Alle waren cool. Nur ich war es nicht. Ich spürte die Panik, schlimme Szenen im Kopf, ein ekliges Gefühl im Bauch. Alles war laut, hektisch und unkontrollierbar. Ich fühlte mich unverstanden. Ich wurde wütend. Auf mich. Ich beschloss zu gehen, bevor ich unfair werde. Ich war enttäuscht über mich und traurig. Es tat mir so leid für alle. Ich habe alles ruiniert. Ich habe Klimt das Meer nicht wie versprochen gezeigt. Spät abends nahm ich die Leine und ging noch eine lange Runde mit Klimt durch die Feriensiedlung, vorbei am Park bis vor zu den Läden. Es war immer noch warm und Klimt brauchte eine Pause. Wir setzen uns auf eine Mauer und ich fasste einen Plan.
Am vorletzten Morgen, stelle ich mir den Wecker auf 5.30 Uhr. Wir fahren mit dem Auto vor in die Nähe des „Menschen“-Strandes, passen einen Moment ab, in dem keine Strandaufseher in der Nähe sind (ja, die arbeiten schon zu dieser gottlosen Zeit!), und bahnen uns wie zwei Gangster einen Weg durch die Dünen bis vor ans Wasser. Es ist friedlich. So habe ich es mir vorgestellt. Ruhe. Nur wenige Menschen. Der Tag beginnt. Der alte Hund im Wasser. Bis zum Bauch. Ich auch. Bis zum Knie. Wir laufen eine Weile. Klimt strauchelt und liebt es trotzdem. Ich löse sogar kurz die Leine. Wir sind ein bisschen frei. Wir sind ein bisschen nur wir zwei.
Wir haben uns an diesem Morgen wieder einmal eine goldene halbe Stunde verschafft. Das war wichtig für uns alle.
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