Geliebter Wohlstandshund
Fotos: Tobias Riepl |
In der Summe überwiegen die guten Tage -
Ein Beispiel
Im Beitrag „Geliebter Arschlochhund“
habe ich ja ganz schön abgekotzt über meinen Klimt – manch einer
wird sich erinnern. Offenbar habe ich mit dieser schonungslosen
Ehrlichkeit und dem Eingeständnis, in der Erziehung so einiges
verbockt zu haben, einen Nerv getroffen. Denn mich erreichten zu
diesem Artikel so viele Zuschriften, ob per Facebook, per Mail oder
auch direkt als Kommentar unter dem Beitrag, wie noch bei keinem
anderen zuvor. Danke dafür an dieser Stelle. Viele Leser
berichteten, dass sie die verzweifelten Momente ebenfalls kennen,
andere sprachen mir Mut zu. Aber es gab auch einige, die fanden ich
solle den Hund doch am besten abgeben, damit er eine Chance auf ein
stressfreies Leben hat. Das hat mich doch etwas getroffen. Kurz
fühlte ich mich wie eine fiese, egoistische Tierquälerin. Doch dann
dachte ich ein wenig nach und fand heraus: Die kennen mich ja gar
nicht wirklich. Die haben nicht begriffen, dass ich einfach mal von
einem schlechten Tag erzählt habe, ein Tag, an dem mir alles zu viel
wurde. Ich finde, solche Tage gibt es und stehen einem auch mal zu. Ab
und an darf man ruhig in Selbstmitleid, Selbstvorwürfen und
genereller Unzufriedenheit ertrinken. Und dann geht’s auch wieder
weiter. Stichwort: Katharsis! Und es ist übrigens viel
konstruktiver, seinen Gedanken in einem Blogbeitrag zu bündeln,
statt die negative Stimmung womöglich noch auf den Hund zu
projezieren.
Ich rufe hiermit also zu Folgendem auf:
Kotzt euch ruhig auch mal aus. Das ist ok. Das ist echt.
Das soll jetzt keine klassische
Blogparade werden. Aber wenn ihr einen bittersüßen Wuttext habt,
weil bei euch gerade mal alles schief gegangen ist, verlinke ich den
gerne an dieser Stelle. Schreibt mir nur kurz eine Mail an
wohlstandshund@gmx.de.
- Buddy schreibt: Der Hund, den ich so nie wollte
- Dreipunktecharlie: Charlie ist nichts von dem, das ich wollte
Ein fast perfekter Tag
So und jetzt zum eigentlichen Thema
dieses Textes. Ich möchte meinen Kritikern nämlich erzählen, dass
es auch gute Tage in unserem verkorksten Leben gibt. Denen, die mir
geschrieben haben, dass auch sie große Probleme mit ihren Hunden im
Alltag haben, möchte ich berichten, dass es auch andere, perfekte
Tage gibt, an denen man einen wunderbaren Hund an seiner Seite hat.
Ich möchte ihnen Mut machen, sich an den Arschlochtagen an die Tage voller Zufriedenheit zu erinnern, die sicher auch bei ihnen
vorkommen. Das hilft.
Es beginnt bereits beim morgendlichen
Spaziergang durch die Siedlung. Wir haben einmal wieder die
Gasssi-Rush Hour erwischt. Der erste Hund wird von meinem
Leinenpöbler Klimt aus sicherer Entfernung lediglich argwöhnisch
beäugt. „Puh!“, denke ich noch, als ein stattlicher
Deutsch-Drahthhaar Rüde samt Herrchen auf uns zukommt. Wir schaffen
ein wenig Distanz und positionieren uns auf dem angrenzenden
Parkplatz. Ich bereitet mich innerlich auf einen Ausbruch vor, halte
die Leine fester und versuche halbherzig ein paar lustige Tricks mit
Klimt. Und was passiert: Der Schatz machte mit! Ok, zugegeben: Man
sieht ihm an, dass er den anderen Hund wohl noch im Kopf hat, aber er
gibt mir das Bussi und dreht sich mit meiner Handbewegung um seine
eigene Achse. Kein Bellen. Kein Knurren. Kein Aufgebäume. Fast
scheint er erleichtert über die Alternative, die ich anbiete. Ich
freue mich wie irre und entspanne, der Schatz auch.
Am Nachmittag testen wir eine neue
Gassi-Strecke: Die Donauauen bei Tapfheim, ein potentielles
Überschwemmungsgebiet mit vielen Seen und einem schönen
europäischen Urwald in Flußnähe. Wir sind bereits einige Zeit
unterwegs, als wir an eine Lichtung kommen. Sie ist perfekt zum
Fotografieren. Die Sonne scheint. Ich will unbedingt Fotos in
Bewegung von den Hunden. Also lege ich die beiden ab, um sie dann
heran zurufen und in vollem Lauf - hoffentlich scharf - zu
fotografieren. Wir sind total vertieft, als es plötzlich im
Unterholz raschelt. Zwei Rehe! So leise wie möglich zische ich:
„Platzzzzz!“ Louni, die taube Nudel, bekommt weder die Rehe noch
mein Abbruchsignal mit. Klimt liegt. Die Rehe verschwinden, ich
blicke den Weg entlang, höre ein leises Getrappel und denke: „Mist,
da kommt jetzt echt ein wildernder Hund auf uns zu.“ Er ist
mittelgroß und braun.
Ich täusche mich gewaltig. Es ist ein
Feldhase, der zielgenau auf den immer noch liegenden Klimt zuhält.
„Sieht der den Hund denn nicht!!!“, frage ich mich panisch und
wiederhole diesmal lauter: „Platz und bleib!“ Selbst Louni
erfasst die Situation jetzt und blickt verwirrt in alle Richtungen,
so entfernt von jeglicher Jagdambition wie es wohl höchstens ein
PETA-Aktivist sein könnte. Während ich zunächst befürchtete,
Klimt würde sich den Hasen krallen, habe ich nun Angst, dass der
Hase sich Klimt krallt oder ihn zumindest über den Haufen rennt. Nur
- ungelogen - 5 Meter vor meinem brav liegenden Schatz dreht der Hase
ab und verschwindet im Gehölz. Ich beginne wieder zu atmen, rufe
Klimt heran und freue mich zum zweiten Mal an diesem Tag wie irre.
Nachdem alle guten Dinge ja drei sind,
darf ich euch noch eine letzte Episode erzählen, in der ich mich
Klimt stolz gemacht hat. Wir sind mittleweile auf dem Weg zurück zum
Auto. Louni trödelt nach zwei Stunden Spaziergang schon wein wenig
hinterher, als uns rücklings ein Mountainbiker ohne Klingel
überrascht. Der fleißige Wohlstandsleser weiß ja, dass Klimt
Radfahrer gerne mal anpöbelt. Doch in diesen Sekunden habe ich keine
Zeit auf seine neurotische Art Rücksicht zu nehmen, weil mein
Lounchen mitten auf dem Weg des Radlers steht und auf mein Rufen
keinen Meter reagiert. Also stürze ich todesmutig zurück zu meiner
tauben Nuss, rufe dem Radler zu: „Die hört schlecht, sorry!“ und
stelle mich zu meinem Hund, sodass er uns beide überfahren müsste.
Macht er natürlich nicht, sondern bremst und umfährt uns
vorsichtig. Was tut mein Terrorköter Klimt bei all der Aufregung?
Nichts. Seelenruhig schnuppert er im Uferbereich und guckt uns nicht
mal mit Hundehintern an. Ich bin stolz!
Das Fazit also: Es gibt durchaus auch
Tage ohne Leinenpöbelei, ohne Diskusssionen übers Jagen (Wobei
Klimt bei Wildsichtungen sehr zuverlässig ist. Das Krasse war hier
nur die Distanz des Hasen.) und ohne Attacken auf Radfahrer. Und
damit gibt es Tage, an denen ich unheimlich stolz auf meine
Wohlstandsköter bin. Ja, tatsächlich überwiegen die Tage, an denen
ich froh und glücklich bin die beiden zu haben, bei Weitem.
Einziger Wehmutstropfen: Louni hat
offenbar so viel Wildkacke gefressen, dass sie mir zuhause eine gute
Handvoll Rehköttel ins Wohnzimmer gekotzt hat – natürlich nicht
auf den Laminat, sondern auf den Teppich.
Das ist sooo toll. Ich kann Dich gut verstehen, weil es auch hier diese Tage von "ich kann nicht mehr" gibt und dann diese vielen schönen Tage, die überwiegen. Sie lassen einen alles vergessen und sie lassen uns wissen, dass alles so richtig ist. Diese Tage geben uns Mut und Kraft.
AntwortenLöschenIm Moment gibt es hier nichts zum Kummer los werden. Aber wenn es mal wieder soweit ist, dann gebe ich Dir Bescheid.
Ich wünsche Dr so viele dieser Tage, an denen Du stolz auf Klimt bist.
Viele liebe Grüße
Sabine mit Socke
Danke für deinen lieben Kommentar. Ich hoffe natürlich, dass du gaaanz lange nicht in die Situation kommst, einen Kummer-Beitrag schreiben zu müssen. Aber wenn doch, nehme ich ihn gerne auf.
LöschenIch habe gerade deine beiden Beiträge zu diesem Thema gelesen und auch ich habe bereits einen Blogbeitrag mit dem Titel "Ist mein Hund ein Arsch?" in Vorbereitung. Sich einfach mal auskotzen, ärgern und die schlechten Gedanken loslassen. Ich glaub, das ist auch einfach mal notwendig und wozu einen Blog, wenn man nicht ehrlich über die eigenen Erfahrungen spricht :) Man sieht ja, wie vielen es ähnlich geht!
AntwortenLöschenDennoch danke für diesen nun positiven Gegenteils-Beitrag, denn der erinnert auch mich daran, die guten Ereignisse und Fortschritte nicht vom Schlechten überschatten zu lassen!
Liebe Grüße
Franzi & Toni
Da bin ich ja mal gespannt auf deinen Beitrag. Wenn du möchtest, kann ich ihn gerne hier verlinken. Einfach kurz Bescheid geben!
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