Hundehalter...

 

 

Wohlstandshundehalter eben...


Die Halter der Wohlstandshunde sind schon ein seltsames Völkchen. Natürlich kann man nicht alles pauschal über einen Kamm scheren. Aber zumindest soll im Folgenden der Versuch unternommen werden sie in Kategorien einzuteilen. Diese können durchaus im Einzelfall verschwimmen und sich überlagern. Zudem besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.




Die „Tutnixe“


Sie sind wohl den meisten bekannt – entweder aus persönlichen Begegnungen oder zumindest aus den Medien, wo der Begriff durch Hundetrainer wie Martin Rütter der breiten Masse zugänglich gemacht wurde. In der persönlichen Begegnung sieht der Kontakt zum „Tutnix“ so aus: Ein unangeleinter Hund beliebiger Größe und Rasse kommt in erhöhtem Tempo und schwanzwedelnd entweder auf einen Menschen oder dessen Hund zugeschossen. Der Besitzer ruft etwas Derartiges: „Keine Angst. Der tut nix! Der will nur spielen!“ Tatsächlich meint er: „Ich habe versäumt, mit meinem Hund zuverlässig den Rückruf zu trainieren. Nehmen Sie es mir nicht übel! Es wird schon nichts passieren.“
Blöd nur, wenn der Gegenüber Angst vor Hunden hat oder aber einen unverträglichen Hund an der Leine führt. Meine Wohlstandshündin legt absolut keinen Wert darauf, wenn fremde Hunde ihre Individualdistanz überschreiten und zeigt das auf ihre ganz besondere Art. Wenn also noch die Hoffnung besteht, dass der Halter seinen „Tutnix“ zurückpfeifen kann, versuche ich es mit: „Rufen Sie denn Hund bitte ab. Die Schwarze beisst.“ Hilft auch das nichts, schicke ich meinen Pufferhund Klimt los, um dem anderen Hundehalter Zeit zu verschaffen, seinen doch noch anzuleinen, bevor dieser auf den schwarzen Höllenhund trifft. Klappt auch das nicht, ermahne ich den Höllenhund zur Besonnenheit, löse die Leine und hoffe das Beste – für den „Tutnix“.

Die „Meiner tut zwar was, aber die klären das unter sich“


Die Halter solcher Hunde haben oft nicht nur versäumt, den Abruf zu trainieren, sie sind meist tatsächlich davon überzeugt, dass es in der Natur des Hundes liegt, Zwistigkeiten mit Artgenossen körperlich zu regeln. In einem Rudel mag das wohl bis zu einem gewissen Grad stimmen. Aber ich erlaube es bestimmt nicht, dass sich meine Hunde mit fremden Hunden, die ich in ihrer Ernsthaftigkeit wenig einschätzen kann, prügeln! Das anstrengende an der Geschichte ist, dass die Halter solcher Hunde einem diese Begegnungen aufzwingen wollen, um den Gegenüber auch noch über das Sozialverhalten von Hunden zu belehren.
Was also tun, wenn der „Meiner tut zwar was, aber die klären das unter sich“-Hund mit aufgestellter Rute, starrem Blick und imposanter Bürste auf einen zugestackst kommt? Nun ich persönlich versuche zunächst weiträumig zu flüchten. Ist der Gegenüber schon zu nahe, bekomme ich Hitzewallungen, leichte Herz-Rhythmus-Störungen und behalte meinen geliebten Pufferhund mal schön bei mir. Stattdessen fasse ich mich im letzten Augenblick und stimme ein derartig tiefes, grummelndes Geschrei alá „Hau ab mein Freund oder es knallt gewaltig“ an, dass bislang jeder Hund der Kategorie „Meiner tut zwar was, aber die klären das unter sich“ abgedreht hat - dessen Besitzer übrigens auch.
Fatal für meine Erziehung: Solche Erlebnisse werfen mich und Klimt um Jahre zurück im Training an seiner Leinenaggression. Denn natürlich fängt er bei meinem Geschrei munter an mitzupöbeln.

Die Überängstlichen


Die Überängstlichen geraten in Panik, sobald sie einen anderen Hund sehen. Sie wechseln Straßenseiten, schlagen sich in Büsche und zerren hektisch an der Leine, um ihre Hunde wegzuschaffen. Wohin? Egal. Hauptsache weg von der vermeintlichen Gefahrenquelle.  Sie lehnen Hundekontakte per se ab, weil sie Angst haben, dass es zu einer Beisserei kommt. Meist sind sie und/oder ihr Hund in der Vergangenheit bereits negativ geprägt worden. Ungut ist dabei besonders, dass sich diese Angst auch immer auf den Hund überträgt. Der reagiert dann ebenfalls unsicher bis ängstlich oder auch angst-aggressiv. Das macht den Überängstlichen dann natürlich noch ängstlicher. Die Steigerung merkt dann wiederum der Hund und so weiter. Ein Teufelskreis. „Bleib ruhig.“ „Mach die locker.“ „Kontrolliere die Situation“ – diese Ratschläge hört der Überängstliche oft und versucht sie umzusetzen. Aber leider ist seine Angst nicht wie ein Lichtschalter, den man bei Bedarf ausschalten kann.
Und jetzt kommt das Schlimmste: Ich muss mich outen. Ich gehöre zu ihnen. Leider gerate ich regelrecht in Panik, wenn ich auf unangeleinte Hunde treffe. Ich führe zwei nicht unproblematische Hunde an der Leine. Die Hündin findet fremde Artgenossen an sich doof, während der Rüde gelegentlich an der Leine so furchtbar pöbelt, dass der Gegenüber freiwillig die Straßenseite wechselt. Ich gehe also Hundebegegnungen aus dem Weg, besonders wenn ich beide mit mir führe. Angst habe ich zwar auch vor den Hunden an sich beziehungsweise dass es zu einer Auseinandersetzung kommt. Ich fürchte aber ihre unfähigen Halter, die sie nicht abrufen können, nicht einschätzen können oder körperlich nicht mal halten können, mindestens genauso.

Die Streber


Die Streber führen ihren Hund an loser Leine  (obwohl der natürlich auch leinenlos super Beifuss laufen würde) in der linken Hand, halten in der rechten ihren Clicker, und der Hund trägt im Fang die Kacktüte mit den eigenen Hinterlassenschaften. Der Streberhund darf überall mit hin – ins Restaurant, zum Einkaufen, aufs Volksfest, auf die Arbeit, in die U-Bahn... Natürlich ist der Streberhund 100% sozialverträglich und bestens erzogen. Gebarft wird er übrigens auch. BH mit 15 Monaten. Ein halbes Jahr später läuft er schon in der A3 beim Agility. Trickdogging wird so nebenher gemacht, wenn draussen das Wetter schlecht ist. Allein sind die Streberhunde nie, denn die Streber haben offenbar keinen Job oder sonstige Verpflichtungen. Meist treffen sie sich stattdessen in Hundeauslaufgebieten und tauschen sich mit anderen Strebern aus.
Ach, eigentlich ist an den Strebern gar nichts auszusetzen. Die Streber nenne ich eigentlich nur Streber, weil ich auch gern ein Streber wäre. War ich aber schon in der Schule nicht.

Die Unsichtbaren


Die Unsichtbaren sind die Traurigsten. Sie heißen so, weil sie unsichtbar sind. Die Hunde der Unsichtbaren sieht man nicht, man hört sie nur – hinter Zäunen, Toren, Türen, in Zwingern. Man sieht die Unsichtbaren und ihre Hunde nicht, weil sie nicht gassi gehen. Die unsichtbaren Hunde kacken in ihre Gärten, Höfe und Zwinger. Dort fressen sie, dort schlafen sie und manchmal, wenn ihre Besitzer gerade Lust haben, spielen sie auch dort.

Fotos (2): Amelie Steinacker

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