Wolf erlegt

R.I.P. „MT6“

Die Wohlstandsgesellschaft ist noch nicht bereit


Wenn die Wohlstandsgesellschaft sich bedroht fühlt oder denkt, man nähme ihr etwas weg, geht sie unter Umständen bis zum Äußersten.
Nein, liebe Leser, ich spreche nicht von der Flüchtlingsproblematik – auch wenn meine Aussage wohl auch auf dieses Thema zutrifft.
Ich spreche von „MT6“ a.k.a. Kurti.


Der sogenannte Problemwolf vom Truppenübungsplatz Munster wurde kurz nach 20 Uhr am Mittwochabend, 27. April, „letal entnommen“ wie es das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz beschreibt. Die Süddeutsche Zeitung zitiert, „MT6“ wurde „gemanaged“. Hinter diesen Euphemismen verbirgt sich die schlichte Tatsache, dass der Wolf von einem Scharfschützen der Polizei erschossen wurde.

Das Tier war seit längerem im Focus von Politik und Medien. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz spricht von einer „auffälligen Distanzlosigkeit“. „MT6“ soll sich bis auf wenige Meter Menschen genähert haben. So wie vermutlich auch die Vorfahren unserer geliebten Hunde, es vor vielen Tausenden von Jahren einst taten. Nur gut, dass der Mensch damals anders reagiert hat.
Im Februar beispielsweise soll „Kurti“ eine Frau mit Kinderwagen und Hund verfolgt haben. Zuletzt soll er am Sonntag, 24. April, den Hund einer dreiköpfigen Familie angegriffen haben. „Die Tiere begannen sogleich zu kämpfen. Dem Hund gehe es nach ärztlicher Versorgung recht gut“, schreibt die Welt. Weiter heißt es, dieser Vorfall sei ausschlaggebend für den Abschuss gewesen.

„Kurti“ schrieb nicht nur Geschichte – schließlich war er seit etwa 100 Jahren der erste Wolf, der legal in Deutschland geschossen wurde – er ist nun auch Geschichte. Doch wie konnte es soweit kommen. Warum war der vierjährige Rüde so distanzlos gegenüber Menschen? Es heißt, dass er wohl entweder gezielt angefüttert wurde oder er zumindest Essenreste von Menschen im Wald fand, was zu einer Gewöhnung und mangelnden Scheu führte. Auch ein intensives Monitoring, eine Besenderung sowie die Vergrämungsaktionen durch den schwedischen Experten Jens Karlsson hielten „Kurti“ nicht dauerhaft vor dem Menschen fern.
Hat es sich wirklich so zugetragen, dass vermeintliche Wolfsfreunde das Tier angelockt und gefüttert haben, so hat die Wohlstandsgesellschaft auf ganzer Linie versagt, indem sie gezeigt hat, dass sie einfach immer noch nicht bereit ist, mit Wölfen zusammen zu leben. Wurde das Tier „zahm“ gefüttert, dann hat Mensch sich auch in diesem Fall einmal zu oft eingemischt. Erst „Dutzi, dutzi“ und wenn es dann zu viel wird, tot schießen - wie vor 100 Jahren, als hätte man nicht dazugelernt. Zeit wäre genug gewesen. Letztendlich wurde so das Schicksal von „MT6“ besiegelt. Denn schließlich gilt „Bei allen Maßnahmen des niedersächsischen Wolfsmanagements (...) der Grundsatz, dass die Sicherheit der Menschen im Mittelpunkt steht“.

Neben dem auffälligen „Kurti“ ist übrigens noch etwas auffällig: Die zeitliche Abfolge.
  • „Die Entscheidung, den Wolf zu töten, sei gefallen, nachdem es am Wochenende des 24. und 25. Aprils erneut zu Berichten über Begegnungen zwischen "MT6" mit Menschen gekommen war.“ (NDR)
  • Trotzdem teilt das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz noch tagsdrauf, am Dienstag, 26. April, mit, dass das Tier zunächst betäubt und dann der Natur entnommen werden soll.
  • Erst am Mittwoch, 27. April, ist die Rede von einer Tötung: „Die Experten haben sich auch in Abstimmung mit dem neuen Wolfsberatungszentrum auf Bundesebene darüber verständigt, dass der Wolf nicht mehr in einem Gehege untergebracht, sondern letal entnommen werden soll. Dafür soll es zunächst den Versuch der Betäubung geben; dann soll das Tier eingeschläfert werden.“
  • Der Tod erfolgt nur einen Tag später am Mittwoch, 27. April, durch Abschuss.
  • Das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz veröffentlicht die Pressemitteilung über den Tode des Wolfs am Donnerstag, 28. April. Am selben Tag findet eine Pressekonferenz zu dem Thema statt.
Warum ist also noch am 26. April die Rede von einer Betäubung und Entnahme als stünde die Möglichkeit der Unterbringung im Gehege noch im Raum, wenn bereits am 25. April das Todesurteil gefällt wurde. Hat das Ministerium Proteste befürchtet und der Öffentlichkeit deshalb nicht nur Informationen vorenthalten, sondern sie mit Falschinformationen versorgt? Oder ist womöglich die Meldung des NDR falsch, dass die Entscheidung über eine Tötung bereits am Wochenende gefallen sei?

Quellen:
  • http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/Toter-Kurti-soll-in-Berlin-untersucht-werden,wolf2460.html
  • http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/problemwolf-kurti-in-niedersachsen-gezielt-erschossen-a-1089772.html
  • http://www.sueddeutsche.de/panorama/niedersachsen-warum-problemwolf-kurti-sterben-musste-1.2971589http://www.umwelt.niedersachsen.de/aktuelles/stellenangebote/
  • http://www.umwelt.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/umweltminister-wenzel-informiert-ueber-den-toten-wolf-mt6-143416.html
  • http://www.umwelt.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/umweltstaatssekretaerin-informiert-ueber-den-zwischenstand-143375.html
  • http://www.welt.de/vermischtes/article154832928/Wolf-Kurti-musste-sterben-weil-er-zu-zutraulich-war.html

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