„Bist du auch eine von den Hundemuttis?“


 Oft knallt es zu Silvester und manchmal ist es eisig still

Silvester 2019: Ich bin zum Essen eingeladen; die Hunde nicht. Das ist ok. Es gibt Hot Pot – nein, das ist nicht bloß eine Suppe, sondern eine Art Fondue auf chinesisch, wie ich an diesem Abend lernen darf. Ich Unköchin helfe sogar beim Schnibbeln. Ein bisschen zumindest. Kinder sind auch da. Eines fällt von der Eckbank und heult. Nix passiert! Pipi Langstrumpf läuft weiter im TV. Nicht alle Menschen am Tisch kenne ich und die mich auch nicht. Ich bin nüchtern und muss noch fahren. Ich versuche trotzdem, die einigermaßen gesellige Diana zu sein und das Verlangen, mir ein vernünftiges Glas Müller-Thurgau einzuschenken, zu unterdrücken. Die Stimmung ist gut. Was und wen man nicht kennt, lernt man eben kennen. Erste Wunderkerzen brennen. Das Essen schmeckt.
Und plötzlich fragt mich ein junger Mann, der mir gegenüber sitzt, ob ich denn auch eine von den Hundemuttis sei. Neben mir sind noch zwei weitere Frauen da, die zuhause ebenfalls einen Hund haben. Ich sehe davon ab, ihm zu erklären, dass ich von niemandem die Mutti bin und schon gar nicht von einer anderen Spezies, sondern nicke friedlich. Ich erkläre, dass ich deshalb auch nicht bis 0 Uhr bleibe, die Hunde zwar bei meinen Eltern sind, ich aber dennoch spätestens um 23 Uhr daheim sein will, weil gerade Klimt sich sehr stresse.

Ich hätte nur nicken sollen.

Heiter erklärt mir der junge Mann, wie bei ihnen zuhause damals der Familienhund gegen den Lärm immunisiert wurde: Einfach einen Böller direkt neben dem Ohr des Tieres zünden. Ich glotze den Typ bescheuert an und warte in der Hoffnung, die Story ginge noch weiter und es käme eine Pointe, weil das ein schlechter Witz war. Nichts. Die Stille wird unangenehm eisig. Keiner sagt ein Wort. Sein Blick scannt die Gesichter auf der verzweifelten Suche nach einem Lächeln. Bei den Hundehaltern am Tisch sucht er vergebens. Auch der Rest vergibt keins. Die Gastgeberin murmelt etwas von wegen, das fände wohl niemand lustig. Ich ergänze, dass er sich bei der Fraktion der Hundemuttis gerade keine Freunde macht. Alle sind erleichtert, als irgendein kluger, diplomatischer Kopf am Tisch ein neues Thema beginnt.


Ich erzähle diese Geschichte nicht, weil ich dem jungen Mann besonders böse bin. Von der Story abgesehen war er sogar ganz sympathisch. Der hat ja vermutlich gar nicht geahnt, dass er gerade in ein Fettnäpfchen tritt. Ich erzähle sie vielmehr, weil sie so typisch ist für die Leute: Mangelnde Empathie gepaart mit Unverständnis und Intoleranz. Über 30, selbständig, unverheiratet, kinderlos, dafür mehrfache Hundehalterin – zack! Sofort hat man den Stempel der verrückten Hundemutti, die ihre scheinbar gescheiterte Existenz durch zwei haarige Kinderlein aufzuwerten versucht. Der Klassiker mit Eigenheim, Gartenzaun, Trampolin, Ehemann, Kindern, Minivan oder wahlweise SUV, zwei Urlauben im Jahr und zwei festen Einkommen ist nun einmal nicht für jeden etwas. Ich erwarte noch nicht einmal, dass mein Umfeld das versteht. Aber ich erwarte, dass es das akzeptiert.
Und ja, ich gestehe, es hat mich diebisch gefreut, als der junge Mann es auch nach einer Stunde nicht geschafft hat, sein etwa 1-jähriges Kind ins Bett zu bringen und darüber fast das ganze Essen verpasst hat.
Und ja, es reut mich nicht, vorzeitig aufgebrochen zu sein, um zu meinen beiden Kötern auf die Couch zu kommen und endlich mit einem Glas Wein in der Hand das neue Jahr zu begrüßen.

In diesem Sinne:
Prosit Neujahr

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