Der Brückenhund


 Die Königin der Couch


Der Brückenhund: Wie aus dem Nicht-Wohlstandshund langsam der Wohlstandshund wurde


Vor einige Zeit habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie Hundehaltung früher und heute aussah und habe das anhand zweier Beispiel versucht darzustellen. Doch nun habe ich mich gefragt, wie es so dazu kam und, ob es dazwischen, denn nicht noch etwas gab. So bin ich beim Brückenhund gelandet. Doch lest selbst:

Der Brückenhund hat nichts gekostet. Ein Weibchen sollte es werden, weil die nicht so sehr weglaufen auf der Suche nach schnellem Hundesex. Kein Jagdhund sollte es sein. Denn der haut auch oft ab. Also wurde es ein Colliemischling. Der Sohn des Landwirts hat den Welpen einfach abgeholt und auf den Hof gebracht, weil die Althündin gestorben war. Irgendwer muss schließlich das Wohnhaus, den Stall und die Scheune bewachen. Die Althündin war meist vor ihrer Hütte angebunden, auf der in roten Lettern ihr Name stand, und durfte nicht ins Haus – auch nicht wenn es kalt war, regnete oder stürmte.

Beim Brückenhund war alles anders. Sie durfte rein und raus wie sie wollte und wurde Herrin der Couch! Nur mit Ausgewählten teilte sie das Sofa. Der Rest wurde angeknurrt. Und wie sie die Lefzen hochziehen konnte, um ihre großen, schneeweißen Zähne zu zeigen und zu gebrauchen! Sie wusste sich Respekt zu verschaffen – im Haus und auch Draussen. Einmal ist ein Radfahrer zu Nahe am Hof vorbeigefahren, sodass sie ihn bellend verwarnen musste. Was macht der Unwissende? Der tritt tatsächlich nach ihr. Der hat sich mit der Falschen angelegt. Das kann sich die Herrin der Couch natürlich nicht gefallen lassen. Zack! Da hatte er eine zerrissene Hose und eine blutende Wunde am Oberschenkel. Das Geschrei war riesengroß. Aber Leinenzwang, Maulkorb, Wesenstest? Nein, Blödsinn. Die hat ihr Grundstück verteidigt und schließlich hat der nach ihr getreten! Die Hose hat er sich aber doch teuer bezahlen lassen. Zum Glück war der Brückenhund von der Betriebshaftpflichtversicherung eingeschlossen. Vor 25 Jahren regelte man so etwas noch anders. Der Radfahrer mied den Weg von da an und hat nicht wieder nach ihr getreten. Auch sonst war die Herrin der Couch eine kleine Neurotikerin. Sehr geräuschempfindlich ertrug sie es zum Beispiel nicht, wenn Damenbesuch mit klickernden Absatzschuhen das geflieste Wohnzimmer durchschritt. Der wurde schnell mit gebleckten Zähnen belehrt. Genauso erging es kleinen Kindern mit ihren quietschenden Stimmen. Die hatten still zu stehen – sonst setzte es was.


Geburtenkontrolle - besser spät als nie


Wenn der Brückenhund nicht gerade ihre Menschen, deren Besuch, Kinder und Radfahrer erzogen oder die Couch beansprucht hat, war sie Mama. Ihr erster Wurf bestand aus drei Welpen. Zweimal Tricolor und ein Schwarzmarkener. Sie wurden verschenkt. Beim zweiten Mal waren es sogar vier Hundekinder, die im Schweinestall das Licht der Welt erblickten. Bei Wurf Nummer drei waren es drei Rüden. Einer davon war Bully. Er sollte ein echter Wohlstandshund werden. Sein Bruder Bingo wurde Schiffshund, von dem man niemals wieder etwas hörte. Fritz wurde Hofhund, steinalt und kam in den Genuss seine Gene an das gesamte Umland weiterzugeben. Es folgte ein vierter und letzter Wurf mit mehr als zehn Welpen. Der Tierschutz wurde auf den Brückenhund aufmerksam. Er übernahm den Großteil des Wurfs und suchte ein neues Zuhause für die Welpen. Den Landwirten war das Recht. Was sollte man auch mit so vielen Hunden anfangen? Von da an bekam die Herrin der Couch Tabletten, die eine Läufigkeit verhinderten. So konnte sie nicht mehr Mama werden.

Doch langweilen sollte sie sich auch nicht. So lieferte sie sich in ihrer Aufgabe als Wachhund blutige Kämpfe mit den Ratten. Ein Biest hat sich sogar mal an ihr festgebissen! Doch der Brückenhund schüttelte sie bis die Kräfte des Nagers nachließen. Außerdem kam der Landwirt langsam in die Jahre. Die Söhne übernahmen nach und nach viele Arbeiten, die Viehhaltung wurde reduziert. Für das Grobe, wie das schlachten der Hasen und Hühner war immer seine Frau zuständig. Tiere, vor allem seine Hunde, liebte er schon immer. Jetzt hatte er auch die Zeit, das zu zeigen. Der Brückenhund wurde sein Liebling, mit der er leinenlose Spaziergänge durch die Felder und Wälder der Umgebung unternahm. An seiner Seite auf dem Traktor durfte sie ebenfalls oft mitfahren. Fetter wurde der Brückenhund auch ein wenig. Gerne gab es vom Tisch Naschereien: Kekse, Kuchen, Wurst oder Käse. Auch Trockenfutter wurde für sie gekauft. Die Herrin der Couch wurde zur Königin der Couch. Kein Hund vor ihr genoss je solche Privilegien!

Die Königin ist tot - Es lebe die Königin

Doch der Zahn der Zeit macht auch vor einer Königin nicht Halt. Der Brückenhund war zehn Jahre alt, als es bergab ging. Sie war über Tage hinweg lethargisch und appetitlos. Glücklicherweise kam regelmäßig der Landtierarzt. Milchkühe gab es zwar nun nicht mehr. Doch auch die Mastbullen und Schweine wollten untersucht werden. In diesem Zuge sah er sich auch den Brückenhund an. Die Diagnose: Gebärmutterkrebs. Der Landwirt war am Boden zerstört. Der Brückenhund bekam eine einschläfernde Spritze. Erstmals sahen die Kinder des Landwirts ihren Vater weinen. Die Königin der Couch starb.



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