Mantrailing


Wenn der Racheengel zum Schäfchen wird


Die Wohlstandshunde durften einmal wieder zum Mantrailen


Foto: Denise Cotton
Die läufige Labrador-Hündin ist nur noch wenige Meter entfernt. Eigentlich ist die Distanz zum Pöbeln für Klimt überschritten. Doch was passiert? Nichts. Kein aggressives in die Leine hängen, noch nicht eimal ein hysterisches Fiepen, weil er gerafft hat, dass die Hündin heiß ist - absolut nichts.
Als nächstes kommt ein Rüde entgegen. Die beiden haben Blickkontakt. Fixieren sich. "Alles klar. Spätestens jetzt flippt er aus", denke ich. Doch: Wieder nichts. Wir befanden uns zu diesem Zeitpunkt auf dem Rückweg unseres Trails. Klimt hatte alles gegeben. Obwohl wir schon seit Monaten nicht mehr Personen gesucht hatten, wusste er sofort wieder, was zu tun war, als ich ihm den Geruch vor die Nase hielt.

Foto: Linda Seidelmann

Wimmernd vor Eifer beginnt er die Suche. Es ist ein frischer Trail, nur wenige Minuten alt und die Spur hat sich noch nicht gesetzt. Vor mir kreiselnd zerrt er daher viel zu  schnell in die richtige Richtung, verliert sich kurz auf einem weiten Platz am Friedhof, checkt Passanten. "Nein, die sind die Falschen", erkennt er schnell.  Wieder das Kreiseln. Doch dann zieht er an. Weiter geht es. Er konzentriert sich. Arbeitet völlig lautlos. Ich hingegen habe Seitenweh und mir ist viel zu warm. Aber egal. "Hör auf zu heulen", sage ich mir. Klimt ist sich jetzt sicher. Ich folge tapfer.
Unter der Treppe sitzt Linda. Der Geruch ist immernoch viel zu frisch. Alle Partikel liegen noch hoch in der Luft, genauso wie Klimts Aufregung. Er hastet die Treppe hinauf. Kurz fürchte ich, er spränge über die Brüstung, die immerhin geschätzte vier Meter hoch ist. Er entschließt sich dagegen und rast die Treppe wieder hinunter. Ich gebe alles an Leine, allein schon um mir nicht den Hals zu brechen beim Abstieg. Er entdeckt Linda und freut sich wie irre. Ich auch. Linda freut sich mit, versucht sich allerdings nebenher vor Klimts Leckattacken zu schützen. Ich erlöse beide und bestätige Klimt mit frischem Bratenfleisch.


Letztlich hat dieser Trail nicht einmal 20 Minuten gedauert. Dennoch war diese Arbeit so anstrengend für Klimt, dass er offenbar nicht einmal mehr die Energie hatte, fremde Hunde anzupöbeln. Oder was kann es sonst gewesen sein, das meinen blutrünstigten Racheengel in ein friedliches Schäfchen verwandelt hat? Manchmal würde ich gern einen Blick in seinen Kopf werfen können. Aber diese Erfahrung bestätigt mich wieder in der Annahme, dass er ein echtes Arbeitstier ist, der solange er seinen Job machen soll, keinen (oder sagen wir: weniger) Blödsinn macht. Jedenfalls hatte ich noch auf der Rückfahrt einen komplett ausgelasteten, schlafenden Hund im Kofferraum liegen.

Die Halter von Wohlstandshunden haben sich vor allem in den letzten 20 bis 30 Jahren eine Reihe von Beschäftigungsmöglichkeiten für ihre Hunde einfallen lassen. Schutzhundesport, Hüten, Zughundesport, Apportieren und Fährte oder Mantrailing sind wohl einige der ältesten Möglichkeiten, die ihren Ursprung allerdings darin hatten, dass sie tatsächlich einmal gebraucht wurden und in Teilen auch heute noch gebraucht werden. Doch diese Hunde mit Job wurden immer weniger. Also mussten Beschäfitgungsalternativen her. Es folgten reine Fun-Aktivitäten: Agility, Dog Dance oder Turnierhundesport. Relativ neu sind Trickdogging, Flyball, Treibball, Zielobjektsuche, Obedience,  Rally Obedience, Longieren oder Disc Dogging. Nicht alle Angebote sind für jeden Hund geeignet. Klimt zum Beispiel neigt zum Überdrehen beim Agility. Da ich "schreiende" Hunde im Parcours ganz furchtbar finde, lassen wir das. Louni ist dafür sehr "weich" im Fang. Das heißt sie lässt Gegenstände sofort fallen, wenn ich sie nur ansehe, um einen Bogen zu laufen und in Hüteposition zu gehen. Also lassen wir umfangreiche Apportierübungen ebenfalls. Tja, und ich bin nun leider alles andere als sportlich und ausdauernd. Langstreckenläufe auf Marathonniveau sind damit auch raus. Stattdessen gehen wir eben gern zum Trailen, wenn es sich zeitlich ergibt, oder veranstalten Suchspiele in der Natur oder auch zuhause und üben, wenn es draussen regnet unnütze Tricks ein. So muss eben jeder, der einen Hund hat, der mehr möchte als die Couch und zwei bis drei Pieselrunden am Tag, für sich und sein Wohlstandstier herausfinden, was einem am besten taugt.

Kommentare

  1. Schöner Artikel. Wir trailen auch und Cosmo tut die Auslastung richtig gut. Und es ist so toll gemeinsame Erfolgserlebnisse zu haben.
    Herzlichst Patricia von Frauhollestoechter.blogspot.de

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