Klimt und die Kinder

 

 

Das Loch im Gartenzaun

Wie mein Hund überraschend neue Freunde findet

Kinder gibt’s hier nicht. Ich habe keine und finde die auch eher befremdlich bis übergriffig. Viele Eltern sogar noch mehr. Daraus mache ich keinen Hehl. Wer mich kennt, weiß das also und lässt mich mit dem Thema in Ruhe. Eigentlich dachte ich, Klimt hält es mit Kindern genauso. Bei Kids auf Dreirädern, Rollern und Skateboards rastet er völlig aus. Kleinkinder, die mit ungelenken Bewegungen herumstolpern, kann er überhaupt nicht einschätzen. Schüchterne Halberwachsene, die ihn anstarren und/oder ein „ist der süß“ murmeln in der Hoffnung, ich würde sie zum Hundekuscheln einladen, verschreckt er gerne mal mit Bellen. Sprich, ich dachte, Klimt hasst Kinder bis der Junge und der Hund das Loch im Gartenzaun entdeckt haben.
 

Ich hätte die Vorzeichen eigentlich erkennen sollen. Neugierige Augen, die uns oder viel mehr den Köter ab und an beäugten. Klimts vibrierende Nase in Richtung des Nachbarhauses (Ich schob es zunächst auf deren Katze). Spätestens die Frage des Nachbarn, ob ich ab und zu jemanden bräuchte, der mit meinem Hund raus geht, hätte mich wachsam werden lassen sollen.
Ich habe alles gekonnt wegignoriert bis zu jenem Tag im Frühsommer, als Emil* sich endlich traut selbst zu fragen. Er kommt an die unumzäunte Grenze unserer Grundstücke und sagte „Hallo“, als Klimt auch schon auf ihn losstürmt. Bellend, aufgeregt, freudig wedelnd durchbricht er die unsichtbare Grenze. Der Junge zeigt keine Angst, nur höfliche Bestimmtheit. Nachdem der Hund erst mal fertig gestreichelt war, fragt Emil endlich, ob er ab und zu mit Klimt spazierend gehen dürfe.
Ich sage: „Nein.“
Zerbricht sein Herz? Vermutlich nicht, aber ich höre es in tausend Teile zersplittern. Ich erkläre, dass Klimt nicht ganz easy sei, gerade mit anderen Hunden immer Theater veranstalte und ich Angst hätte, dass etwas passiert. Emil versichert, er sei schon mit größeren Hunden unterwegs gewesen und schließlich sei er bereits 14.
14 Jahre alt! Schmal, dicke Brille, mit kluger Ausdrucksweise und viel Ehrlichkeit im Blick. Was habe ich für einen Unsinn in dem Alter getrieben. Erste Zigaretten, heimlich verliebt, mal ein Bier zu viel... Emil, so scheint mir, nicht. Er möchte nichts mehr als einen Hund... Im Zweifel dann eben meine verkorkste Töle. Ich denke an zwei Jungs etwa in Emils Alter, die ich kürzlich auf dem Nachhauseweg beobachtet habe. Sagt der eine zum anderen: „Ey Bro, guck dir mal die Schlampen an da hinten.“ Gemeint waren zwei Mädchen, vermutlich nicht einmal 10. Ekelhaft.
Emil ist nicht ekelhaft. Ich einige mich mit Emil, dass er ab und zu das Loch im Zaun überqueren darf, um mit Klimt zu spielen. Ich statte ihn mit Ball und Goodies aus und die beiden sind selig.
Seitdem kommt Emil regelmäßig, wenn er uns im Garten entdeckt. Wenn er nicht kommt, läuft Klimt dennoch zum Loch im Zaun und wittert, ob da nicht doch jemand zuhause ist.
Klingt romantisch, hm? Ist es auch irgendwie.

Ein Spielzeug - einfach der beste Eisbrecher.

Doch wie eingangs gesagt: Kinder sind übergriffig.
Ich lasse den Jungen nie mit Klimt allein, weil ich einfach ein Kontrolletti bin. Trotzdem habe ich einige Sekunden nicht genau aufgepasst, als Emil mit Klimt „die Rolle“ üben wollte. Als mein Blick wieder zu den beiden schweift, beobachte ich Folgendes: Der Hund schon im Platz, packt der Junge einfach eine Vorder- und eine Hinterpfote und versucht ihn herumzudrehen! Mein Herz bleibt stehen. Ich sehe Zähne in Kinderhaut. Schreie. Tränen. Blut. Vorwürfe. Streit. Auflagen. Einschläfern.
Logisch, nichts davon passiert. Klimt ist nicht der weiße Hund von Beverly Hills. Er findet die Situation etwas befremdlich und wedelt verunsichert. Ich, ganz Helikopterfrauchen, bin sofort vor Ort, um Emil zu zeigen, wie er so einen Trick sinnig aufbaut, ohne den Hund körperlich unter Druck zu setzen. Emil versteht.

Wie ebenfalls eingangs gesagt: Kinder sind befremdlich.
So erzählt Emil anderntags von seinem Kater, der momentan so viele Zecken nach Hause brächte. Ich bestätige das. Auch Klimt ist ein Magnet für diese miesen Parasiten. Emil schwört auf Kokosöl. Ich schwöre auf gar nichts und sehe nur, wie er ins Haus läuft und eine Dose mit heraus bringt. Er fragt, ob er es versuchen kann. Klar, warum nicht. Klimt will das fettige Zeug gerne lecken, doch so war das nicht geplant. Emil erklärt, dass es an Stellen aufgetragen werden soll, wo Zecken gerne beißen. Ich ziehe Klimt am Nacken-Hals-Bereich einen Scheitel, sodass der Junge die Paste ins Fell streichen kann. Überall sonst würde er es ablecken. Eifrig beginnen Emil und sein jüngerer Bruder Paul* jetzt den Hund mit dem Zeug einzureiben. Was soll‘s. Von mir aus. Klimt freut sich, weil er im Mittelpunkt steht und alle an ihm herumzupfen. Ich freue mich auch, weil der Hund sich freut und nach der Prozedur so gut riecht.

Der sehnsuchtsvolle Blick in Richtung des Nachbargrundstücks...

Die Story hat also ein Happy End und ich finde das zu meiner eigenen Überraschung gut. Ich finde es schön, dass Emil und sein kleiner Bruder, die Möglichkeit erhalten, ihr Interesse an Hunden mit Hilfe von meinem ausbauen zu können. Ich finde es genauso schön, Klimt die Chance zu geben, Kinder und Jugendliche von einer angenehmen und spannenden Seite kennenzulernen.
Aaaaber: Ich werde weiter aufmerksam sein und meinen Hund lesen. Auch gilt immernoch: Klimt ist kein Spielzeug und kein weiches Plüschtier. Wenn er andeutet, dass etwas zu viel wird, unterbreche ich die Situation. Fremde werden immernoch kritisch beäugt. Wenn wir spazieren gehen und angesprochen werden, beißt der offiziell, sobald ihn jemand antatschen möchte.

Ach, ja, Kinder… übergriffig, befremdlich. Wir haben dennoch beschlossen, zumindest diese ab und zu durch das Loch im Gartenzaun und in unser Leben zu lassen. So hat Klimt nach unserem Umzug  an unerwarteter Stelle neue Freunde gefunden. Ich muss zugeben, mein Herz lacht ein bisschen deshalb.



* Name aus datenschutzrechtlichen Gründen geändert.



Kommentare

  1. Wie süß. Skadi hasst ja auch Kinder wie die Pest. Eve dagegen ... liebt sie. Unsere Nachbarskinder ganz besonders. Allerdings, mehr als durch den Zaun streicheln ist bei uns nicht drin. Die Löcher - ob sie nun von Eve stammen oder von den Kindern "ausversehen" herbei geführt" - habe ich alle dicht gemacht. Leider hat Eve da schon einiges an Dingen gemopst, angefangen von Adiletten bis hin zu Spielzeug, Socken und Unterhosen. Sind eben noch kleinere Kids. Einmal hat Eve sogar Plastik gekackt weil sie den Spielzeugbagger angekaut hat. Sowas muss ja nicht sein :D

    Grüße
    Dani mit Inuki, Skadi und Eve

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    1. Ja, ich hatte auch die Befürchtung, dass Klimt sich selsbständig macht und nach drüben verschwindet, um Dinge zu klauen. Aber offenbar hat er verstanden, dass das verboten ist. Am liebsten und zur Sicherheit würde ich das Loch aber auch gerne zu machen, vor allem weil ich Angst um die herzkranke Nachbarskatze habe. Doch das ist Vermietersache und das Loch wird aktuell aus noch aus anderen Gründen gebraucht...

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